Lässt sich die Totgeburtenrate durch innovatives Sauenmanagement in Kombination mit einem elektronischen Fütterungssystem reduzieren?
Von: Dalton Obermier, M.S.
EINE 5.000-KÖPFIGE KOMMERZIELLE SAUENFARM-FORSCHUNG
Einleitung
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich von einer Forschungsstudie berichtet, die in Zusammenarbeit mit Gestal (JYGA Technologies, Inc.) und Standard Nutrition Company durchgeführt worden ist (Obermier, 2021). Das Hauptziel dieser Studie aus dem Sommer (2020) war, festzustellen, ob eine Fütterung von Sauen während der Nachtstunden einen Einfluss auf den Geburtsbeginn und folglich auf die Totgeburtenrate hat. Unsere Ergebnisse zeigten, dass bei Sauen, die um 2 Uhr nachts gefüttert worden waren, die Geburt früher am Tag einsetzte (12:04 vs. 12:54) und sich die Totgeburtenrate im Vergleich zu „traditionell“ gefütterten Sauen mit einer Fütterungszeit um 7 Uhr morgens verringerte (8,40% vs. 9,74%). Für ein abschließendes Fazit und eine weitere Erforschung der dieser Differenz zugrunde liegende Physiologie braucht es weitere Studien und auch weitere Tests mit alternativen Fütterungszeiten. Nachdem wir den Hauptteil der Studie abgeschlossen hatten, haben wir die verbleibende Zeit auf dem Betrieb genutzt, um herauszufinden, ob es noch andere Möglichkeiten gibt, mithilfe der Gestal Solo Futterautomaten die Totgeburtenrate zu verringern.
Innerhalb der Schweineindustrie verstehen wir relativ gut, was Totgeburten verursacht, wobei die meisten Fälle mit dem Abferkelvorgang selbst in Verbindung stehen. Ein verlängerter Geburtsprozess bedeutet eine hohe Stressbelastung für die Ferkel, während ihres Übergangs von einer Existenz innerhalb der Gebärmutter zu einer Existenz außerhalb der Gebärmutter. Dieser „Stress“ führt zu einer Reduktion der Oxygenierung der Ferkel durch die Gebärmutterkontraktionen, was wiederum zu einer verringerten Vitalität der Ferkel und/oder einer höheren Mortalität führt (Totgeburt). Weitere Einzelheiten zum Thema Totgeburten und warum es so wichtig ist, dass die Industrie Lösungen findet, wie sich die Totgeburtenrate reduzieren lässt, sind auch hier zu finden: ANGEPASSTES HALTUNGSMANAGEMENT MIT AUTOMATISIERTER FÜTTERUNG ERÖFFNET NEUE MÖGLICHKEITEN FÜR EINE VERRINGERUNG DER TOTGEBURTENRATE. Mit unserer Pilotstudie im Sommer haben wir versucht, aus einer ganzheitlichen Perspektive heraus betrachtet zu verstehen, was es für ursächliche Gründe dafür gibt, dass mache Sauen zu einem verlängerten Abferkelvorgang neigen.
Verschiedene Variablen, wie zum Beispiel große Ferkel, hohe Temperaturen oder das Alter der Sauen werden häufig als „Auslöser“ für hohe Totgeburtenraten genannt. Dies sind alles Faktoren, die auch ein automatisiertes Fütterungssystem nicht außer Kraft setzen kann. Peter Theil hat die Ursachen für einen verlängerten Abferkelvorgang weiter untersucht und u.a. auch auf die Faktoren „nachlassende Energiereserven“ und „Erschöpfung“ bei den Sauen hingewiesen (Sorensen, 2017). Wie andere monogastrische Lebewesen auch, nehmen Schweine Stärke über ihre Verdauungsorgane in Form von Glukose auf, die den Tieren als Energielieferant dient. Dieser metabolische Prozess findet in den ersten 4-6 Stunden nach der Nahrungsaufnahme statt. In Theils Studie zog man das Fazit, dass ein verlängertes Zeitintervall zwischen der letzten Fütterung und dem Geburtsbeginn zu einem verlängerten Abferkelvorgang und damit auch einer höheren Anzahl an totgeborenen Ferkeln führt. In traditionellen gewerblichen Betrieben in den USA werden die Sauen in der Endphase der Trächtigkeit einmal (~7:00 Uhr) oder zweimal (~7:00 Uhr und 15:00 Uhr) täglich gefüttert. Das bedeutet, dass bei Sauen, die um 6:00 Uhr abferkeln, eine Pause von 23 Std. bzw. 15 Std. zwischen ihrer letzten Mahlzeit und dem Geburtsbeginn liegt. In Theils Studie zeigten Sauen mit einer Pause von mehr als 18 Stunden zwischen der letzten Mahlzeit und dem Geburtsbeginn eine deutlich höhere Totgeburtenrate als Sauen mit einer Fresspause von unter sechs Stunden (10% vs. < 4%). Diese Differenz resultiert höchstwahrscheinlich aus einem Energiemangel der Sauen, der zu einem höheren Stresslevel sowohl bei den Sauen als auch bei den Ferkeln während des Abferkelns führt. Sie empfehlen, hochtragende Sauen vor dem Abferkeln mindestens dreimal täglich zu füttern, um die Energiezufuhr auf einem konstanten Niveau zu halten. Das ist auf Betrieben, die ein automatisiertes Fütterungssystem einsetzen, sicherlich deutlich einfacher zu bewerkstelligen. [/av_textblock] [av_textblock size='' font_color='' color='' av-medium-font-size='' av-small-font-size='' av-mini-font-size='' av_uid='av-k6aubdtw' admin_preview_bg='']
MATERIALIEN UND METHODEN
Andere Forscher haben unterschiedliche Anzahlen an täglichen Mahlzeiten in der Spätträchtigkeit untersucht, es herrscht aber kein klarer Konsens über eine „ideale” Anzahl an Mahlzeiten oder deren Tageszeiten für hochtragende Sauen (Gourley et al., 2020; Feyera et al., 2018; Vanderhaeghe, et al., 2013; Oliviero et al., 2010). Daher haben wir in dieser Studie den Fokus daraufgelegt, herauszufinden, was es für Unterschiede zwischen Sauen gibt, die einmal, zweimal oder sechsmal täglich vor dem Abferkeln gefüttert werden. Die vorliegende Pilotstudie wurde auf einer 5000er Sauenfarm im nordöstlichen Nebraska, USA, gemacht, die zu Standard Nutrition Company gehört. Ungefähr an Trächtigkeitstag 113 wurden alle Sauen in den Abferkelbereich gebracht (18 Ställe mit 56 Ständen pro Stall). Beim Einzug in den Abferkelbereich sind die Sauen pro Stall und Wurfzahl gruppiert worden und wurden dann per Zufall einem der drei folgenden Fressschemata zugeordnet:
Tabelle 1: Fressschemata
Menge und Fütterungszeiten wurden automatisiert über die Gestal Solo Automaten für Sauen im Abferkelbereich (JYGA Technologies, Inc.) ausgegeben. Einleitung, Abferkelassistenz und Tracking der Reproduktionsleistung sind anhand des Standardprotokolls des Betriebs erfolgt. Alle eingeleiteten Sauen wurden von der Datenanalyse ausgenommen.
ERGEBNISSE
Nach ihrer Aufbereitung konnten die Daten für 327 W1 Sauen von drei bekannten Genlinien analysiert werden. Es war ungefähr die gleiche Anzahl an Sauen über alle drei Fressschemata verteilt und auch die Trächtigkeitsdauer und Anzahl der Testtage war sehr ähnlich (Tabelle 1).
Tabelle 2: Zusammenfassung Statistik 1
Dass es sowohl bei den Wurfzahlen, wie auch bei der Gesamtzahl an geborenen über alle drei Fressschemata hinweg eine gewisse Varianz gab, ist nicht weiter verwunderlich. Es ist gut dokumentiert, dass größere Würfe auch zu höheren Totgeburtenraten führen. Auch der Wurfzahl wird eine gewisse Auswirkung auf die Totgeburtenrate zugeschrieben, aber hier ist der Effekt nicht ganz so linear und klar wie bei der Gesamtgröße eines Wurfes. Um diese Differenzen zu erfassen, wurden sie als Kovarianzen in einer Regressionsanalyse verwendet mit dem Ziel zu prüfen, ob dies einen Einfluss auf die von uns gemessenen Mittelwerte ergibt. Leider war es aufgrund einer zu geringen Zahl an beobachteten Sauen pro Fressschemata nicht möglich signifikante Regressionen festzustellen (Tabelle 2).
Tabelle 3: Lineare Regression
Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse und der Ergebnisse anderer Forscher, lässt sich festhalten, dass die einmalige Fütterung von Sauen im Vergleich zu Sauen, die zweimal oder mehrfach täglich gefüttert werden, zu einem verlängerten Abferkelvorgang und damit auch höheren Totgeburtenraten führen kann. Wir können jedoch aufgrund der fehlenden Signifikanz dieser Pilotstudie keine eindeutige Schlussfolgerung ableiten, was in Anbetracht der Kürze der Studie auch abzusehen war.
DISKUSSION
Bei einer höheren Anzahl an Beobachtungen hätten die Daten sicherlich signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Fressschemata erkennen lassen. Aufgrund der fehlenden Datenbasis für drei, vier oder fünf Fütterungszeiten in unserer Studie, ist es schwierig, eine Aussage darüber zu treffen, ob der Einfluss des Fütterungsschemas sich im linearen oder quadratischen Bereich bewegt. Hier bedarf es weiterer Studien. Diverse Forscher weltweit haben bereits Interesse an weiteren Studien bezüglich der Anzahl von Mahlzeiten und den unterschiedlichen Zeitpunkten für die Fütterung bei hochtragenden Sauen bekundet.
Abgesehen vom vorhandenen Potential für eine Verringerung der Anzahl totgeborener Ferkel, was die mehrfache tägliche Fütterung von Sauen beinhaltet, kann die Verwendung eines automatisierten Fütterungssystems für den Sauenhalter auch einige andere positive Aspekte mit sich bringen. Speziell der GestalSolo Futterautomat beginnt jede Fütterungszeit zum Beispiel mit einer Stimulationsportion, d.h. einer kleinen Menge an Futter, die automatisch in den Futtertrog fällt, und so die Sau zum Aufstehen animiert (Sauen lernen so schnell, dass sie jetzt eine Mahlzeit erhalten, und stehen in den meisten Fällen dann auf, um zu fressen). Das ist auch deshalb so wichtig, weil es den Sauen nochmal einen zusätzlichen Anreiz gibt, zu trinken, die Liegeseite zu wechseln, (was wunden Schultern vorbeugt), und ihre Körper letztendlich „funktionsfähiger“ hält. Da diese Zeiten jeden Tag konsistent stattfinden, können die täglichen Kontrollen des Wohlergehens der Tiere einfacher und effizienter zu Beginn einer Fütterungszeit stattfinden, denn dann stehen die meisten Sauen sowieso auf. Außerdem können die Tagesberichte ganz auf die individuellen Wünsche des Sauenhalters zugeschnitten werden (z.B. lassen sich direkt alle Sauen identifizieren, die in den letzten drei Tagen weniger als 60% gefressen haben). Diese Berichte lassen sich dann täglich einfach im Büro ausdrucken. Viele Betriebsleiter bzw. Verantwortliche im Abferkelbereich nutzen diese Berichte, um sich detaillierter um die so identifizierten Sauen zu kümmern, so dass im Umkehrschluss mehr Zeit für das Stallpersonal bleibt, sich auf andere Produktionsbereiche zu konzentrieren (z.B. sich um Tag 1 Sauen oder den Abferkelvorgang zu kümmern).
Es gibt sicherlich noch viele weitere Vorteile, auf die ich hier nicht weiter eingehen konnte, aber ich habe hoffentlich deutlich gemacht, dass die „unkonventionellen” Änderungen im Sauenmanagement, die mit den Gestal Solo Automaten möglich sind, einen deutlich größeren Effekt haben, als nur eine reine Verbesserung der Ernährungssituation herbeizuführen. Wie man das Blatt auch dreht und wendet, bestätigt sich auch hier immer mehr, dass die Schweineindustrie durch die Verwendung neuer Technologien, wie zum Beispiel elektronischer Fütterungssysteme, zunehmend nachhaltiger wird, und zwar sowohl, was die Produktion selbst als auch Tierschutzaspekte angeht. Die Anwendung dieser Technologien in unseren Betrieben ist nur der Anfang – zu lernen, wie man das Beste aus ihnen herausholt, ist das eigentliche Vergnügen.
Wer ist Dalton Obermier, M.S.?
Geboren und aufgewachsen bin ich auf einer diversifizierten Farm mitten in Nebraska, wo wir während meiner gesamten 4H und FFA Landjugend-Zeit Rinder und Schweine gezüchtet und verkauft haben. Meine Wurzeln waren schon immer in der landwirtschaftlichen Tierhaltung, so dass mir die Entscheidung für die Tierwissenschaften sehr leichtgefallen ist. An der University of Nebraska habe ich 2018 meinen Bachelor in Tierwissenschaften gemacht. Direkt im Anschluss bin ich an das andere Ende der Vereinigten Staaten gezogen, um an der North Carolina State University Schweinegenetik zu studieren, wo ich dann 2020 meinen Master of Science gemacht habe. Zurzeit bin ich als Doktorand für meinen PhD an der University of Nebraska tätig, wo ich mich unter Dr. Benny Mote mit Quantitativer Genetik beschäftige. Schweine sind und bleiben mein Schwerpunktthema und ich hoffe mit meiner Arbeit eines Tages einen positiven Einfluss auf diese Industrie, der ich so viel zu verdanken habe, ausüben zu können.
Literaturverzeichnis
Feyera, T., T.F. Pedersen, U. Krogh, L. Foldager, and P.K. Theil. 2018. Impact of sow energy status during farrowing on farrowing kinetics, frequency of stillborn piglets, and farrowing assistance. J. Anim. Sci. 96:2320-2331.
Gourley, K.M., Swanson, A.J., Royall, R.Q., DeRouchey, J.M., Tokach, M.D., Dritz, S.S., Goodband, R.D., Hastad, C.W., and Woodworth, J.C. 2020. Effects of timing and size of meals prior to farrowing on sow and litter performance. Trans. Anim/ Sci., 4(2):724-736.
Oliviero, C., M. Heinonem, A. Valros, and O. Peltoniemi. 2010. Environmental and sow-related factors affecting the duration of farrowing. Anim. Repod. Sci. 119:85-91.
Sorensen, L.S. More frequent daily sow feedings reduces the number of stillborn piglets. Aarhus University. DCA – Danish Centre for Food and Agriculture, November 9th, 2017.
Vanderhaeghe, C., J. Dequlf, A. de Kruif, and D. Maes. 2013. Non-infectious factors associated with stillbirth in pigs: a review. Anim. Reprod. Sci. 139:76-88.