Sauen in Gruppenhaltung: Ein Leitfaden für nachhaltige Schweinehaltung
In ihrer Präsentation auf dem GESTAL Swine Summit 2022 beschreibt Dr. Jennifer Brown die komplexe Beziehung von Sauen in Gruppenhaltung in Bezug auf Tierwohl, Gesundheit und Produktivität.
Um die Nachfrage von Verbrauchern und dem Handel nach mehr Tierwohl in der Schweinehaltung gerecht zu werden, setzen immer mehr Produzenten auf Gruppenhaltungssysteme für Sauen, was sowohl Chancen als auch Herausforderungen für die Schweineindustrie mit sich bringt.
Herausforderungen der Gruppenhaltung
Die Umstellung auf eine Gruppenhaltung von tragenden Sauen hat entscheidende Fragen für Managementmethoden in der Schweinezucht an sich aufgeworfen, auch in Bezug auf Mortalität- und Entnahmeraten. Zu den Kernfragen gehören hierbei: Lahmheiten, reproduktionstechnische Herausforderungen, Aggressivität von Sauen und Futterkonkurrenz. Daten zeigen, dass Lahmheiten allein für fast 29% aller Entnahmen verantwortlich sind, während 39% der Entnahmen aus “ungekannten Gründen” stattfinden. Hier sollte es bessere postmortale Verfahren geben und mehr Fokus auf einer Erhebung von Betriebsdaten liegen, um Probleme in diesem Bereich zu identifizieren und zu verringern.
One major issue stems from social behaviors. While taking sows out of stalls aligns with the principles of sow welfare, it inadvertently promotes the establishment of social hierarchies among sows, leading to aggression. Injuries, pregnancy losses, and unplanned culling are frequent outcomes. These challenges require ongoing research into sow behavioral management and best practices for group housing in pig farming to optimize productivity while prioritizing welfare.
Ein großes Problem liegt im sozialen Verhalten von Sauen. Während die Haltung von Sauen außerhalb von Kastenständen den Grundsätzen des Tierwohls entspricht, fördert es ungewollt den Aufbau sozialer Hierarchien unter den Sauen und führt so auch zu Aggression gegenüber Artgenossinnen. Häufig kommt es dann zu Verletzungen, Trächtigkeitsverlusten und ungeplanten Entnahmen. Derartige Herausforderungen erfordern eine kontinuierliche Erforschung des Sauenverhalten und daraus resultierenden Best-Practice Maßnahmen für die Gruppenhaltung, um auch hier mit dem Fokus auf Tierwohl optimale Produktionsergebnisse zu erzielen.
Tierwohl im Sauenstall
Dr. Brown betrachtet das Konzept von Tierwohl in der Sauenhaltung anhand der Arbeiten von David Fraser, die u.a. folgende Punkte umfassen:
- Funktionszustand – Basiert auf Kennzahlen wie Produktivität und Gesundheit.
- Artgerechte Haltung – Ermöglicht das Ausleben natürlicher Verhaltensweisen wie Futtersuche und soziale Interaktion.
- Affektiver Zustand – Betrachtet das emotionale Wohlbefinden, wobei der Schwerpunkt darauf liegt, ob die Tiere leiden oder gedeihen.
In einer gut geführten Gruppenhaltung können Produktivitätslevel gehalten oder sogar verbessert werden. Aber zentrale Fragen der funktionalen Perspektive, wie hohe Mortalitätsraten und Futterkonkurrenz, müssen gezielt gelöst werden, um die Vorteile für das Tierwohl voll ausschöpfen zu können. Verbraucher fordern immer häufiger mehr Tierwohl, aber der Erfolg von möglichen Veränderungen hängt auch von der korrekten Anwendung dieser Maßnahmen ab.
Vorteile der Gruppenhaltung für das Tierwohl
Eine andere aktuelle Studie von Maria Tokareva, die am Prairie Swine Center an 180 Sauen durchgeführt wurde, untersucht den Effekt von verschiedenen Haltungsformen auf die Sauen. Es gab drei verschiedene Gruppen: eine Kontrollgruppe von Sauen, die über die gesamte Zeit in Kastenständen gehalten wurden, eine Gruppe von Sauen, die in einer Gruppenhaltung gehalten wurden, und eine Gruppe von Sauen, die in Kastenständen gehalten wurden und sich einmal pro Woche für 10 Minuten in den Stallgängen bewegen durften.
Marias Forschung zeigt folgende signifikante Unterschiede:
- Weniger Stereotypien in der Gruppenhaltung bei Sauen in der frühen und mittleren Trächtigkeit.
- Sauen in Gruppen haben in den Nacht-/Morgenstunden mehr Zeit liegend zugebracht (Komfort).
- Weniger Totgeburten, sowohl in der Gruppe, die sich bewegen durfte, als auch in der Gruppe in Gruppenhaltung. Dieser Effekt wurde auch bereits in anderen Studien beobachtet.
Die positiven Effekte verdeutlichen das große Potenzial eines Wechsels zu einer nachhaltigen Schweinehaltung – im Einklang mit den kanadischen Richtlinien, die Gruppenhaltungssysteme ab 2029 verpflichtend vorschreiben.
Umgang mit aggressivem Verhalten bei Sauen in Gruppenhaltung
Aggression bei Gruppenbildung
Aggressives Verhalten bei Gruppenbildung tritt auf, wenn Sauen innerhalb einer Gruppe eine Hierarchie etablieren. Die Hierarchiebildung dauert meistens 2 bis 10 Tage. Zu den aggressiven Verhaltensweisen gehören Kopfstöße oder Druckausübung, häufig gegenüber niederrangigen Sauen.
Lösungsansatz: Ausreichend Platz in den Buchten erlaubt den niederrangigen Sauen, sich zurückzuziehen und so Verletzungen aus dem Weg zu gehen.
Anhaltende Aggressivität zwischen konkurrierenden Sauen
Diese Art von aggressivem Verhalten besteht während der gesamten Trächtigkeitsphase, vor allem in Systemen mit eingeschränkten Futter- und Liegebereichen. Es ist weniger intensiv als das aggressive Verhalten, was bei Gruppenbildung auftritt, und zeigt sich oft eher als Vermeidungsverhalten, denn als physische Aggressivität.
Aggressivität beeinflussende Faktoren und Lösungsansätze
Während die Haltung von Sauen in Kastenständen eher einfach zu sein scheint, stellt das Management von Sauen in Gruppenhaltung komplexe Anforderungen. Hier spielen mehrere Faktoren zusammen und es gibt noch keine einheitliche Lösung, um aggressives Verhalten wirksam zu minimieren und gleichzeitig das Tierwohl und die Produktivität zu optimieren. Die Forschung in diesem Bereich entwickelt sich ständig weiter und tut ihr Möglichstes, um diese Fragen zu beantworten.
Es gibt viele Variablen, die das Aggressivitätslevel von Sauen beeinflussen. Dazu gehören:
- Frühe vs. späte Bildung von Gruppen
- Dynamische vs. stabile Gruppensysteme
- Platzangebot und Buchtendesign
- Fütterungssysteme, Futterzusammensetzung und eine Verbesserung des Sättigungsgefühls
1. Zeitpunkt der Gruppenbildung:
Studien weisen darauf hin, dass aggressives Verhalten, wie eine Zunahme von Hautverletzungen und Lahmheiten, häufiger bei einer frühen Gruppenbildung auftreten, vor allem wenn die Gruppenbildung vor der Einnistung (während der ersten Woche nach der Besamung) stattfindet. Untersuchungen von Stevens et al. (2015) und Knox et al. (2014) zeigen, dass eine frühe Gruppenbildung (Tag 2–9 nach der Besamung) zu höherer Aggressivität und geringeren Aufnahme- und Abferkelraten führen kann im Vergleich zu einer späteren Gruppenbildung (5–6 Wochen nach der Besamung, bzw. Tag 35–46). Frühe Gruppenbildung in der praktischen Anwendung kann allerdings Platz im Stall sparen und die Anzahl der benötigten Zuchtboxen verringern, was eine effiziente Nutzung der Ressourcen während der Umstellung bedeutet.
Forschende und Schweineproduzenten setzen verschiedene Strategien ein, um ein aggressives Verhalten der Sauen während der Gruppenbildung zu verringern und die soziale Dynamik innerhalb der Gruppe anzupassen und so das Tierwohl zu verbessern. Vielversprechende Methoden, die positive Ergebnisse zeigen, sind zum Beispiel der Einsatz von speziellen Kennenlernbuchten für dynamische Gruppen und feststehende Gruppenbildungsbuchten mit optimalem Bodenbelag und mehr Platz für stabile Gruppen. Andere Ansätze, wie der Einsatz von Ebern, das Überdecken von Gerüchen, um die Akzeptanz zu fördern, oder das Zusammenbringen der Sauen zu einem späteren Tageszeitpunkt, haben eher gemischte Ergebnisse gezeigt. Häufig hat sich das aggressive Verhalten nur verzögert und nicht verringert. Um aggressivem Verhalten vorzubeugen, sollte auch darauf geachtet werden, dass die Sauen satt sind und keinen Hunger haben.
Kennenlernbuchten haben sich als äußerst effektiv erwiesen, wenn Sauen nach dem Absetzen und während der Wartephase miteinander interagieren konnten. Hier waren deutlich geringere Aggressionslevel zu beobachten, mehr Liegebereitschaft und insgesamt eine ruhigere Umgebung im Vergleich zur Einzelsauhaltung. Die Forschung über den Zeitpunkt der Gruppenbildung nach der Besamung kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen, zeigt aber wichtige Managementüberlegungen auf.
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- Eine frühe Gruppenbildung (2-9 Tage nach der Besamung) führt oft zu mehr Aggression und verminderten Empfängnisraten.
- Eine späte Gruppenbildung (35-46 Tage nach der Besamung) führt zu weniger Verletzungen, hier zeigt sich allerdings eine große Bandbreite an Ergebnissen möglich.
Empfehlung:
- Der Erfolg hängt weniger vom Zeitpunkt als von der Umsetzung ab. Effektive Strategien, egal ob die Sauen in stabilen oder dynamischen Gruppen untergebracht sind, beinhalten ein ausreichendes Platzangebot und ein Plus an Flexibilität und minimieren die Stresssituation im Stall durch eine konsequente und durchdachte Umsetzung.
- Dynamische Systeme erfreuen sich zwar aufgrund ihrer Flexibilität und der effizienten Nutzung der Buchten zunehmender Beliebtheit, erfordern aber mehr Einsatz bei der wiederholten Gruppenbildung und dem allgemeinen Buchtenmanagement.
2. Dynamische vs. Stabile Gruppen
Lahmheiten und Hautverletzungen bei Sauen in Gruppenhaltung sind sowohl in dynamischen wie auch in stabilen Gruppen ausgiebig untersucht worden, mit unterschiedlichen Ergebnissen, die wiederum von verschiedenen Faktoren abhängen. So ist zum Beispiel in Studien von Li und Anil nachgewiesen worden, dass es während der Trächtigkeit in dynamischen Gruppen häufiger zu chronischen Hautverletzungen und Lahmheiten kommt als in stabilen Gruppen. Während der eigentlichen Gruppenbildung sind allerdings keine signifikanten Unterschiede beobachtet worden. Auch Cortisolspiegel und Leistung blieben davon unberührt, was für einen eher geringen Einfluss der Gruppenart spricht.
Die von den Forschenden beobachtete Verletzungsanfälligkeit in dynamischen Gruppen kann auch durch die Bodenbeschaffenheit und das Konkurrenzverhalten der Sauen hervorgerufen werden. In anderen Studien, wie der von Payam, wurde hingegen kein Unterschied in dem Auftreten von Lahmheiten bei stabilen und dynamischen Gruppen festgestellt, obwohl die Gruppenhaltung an sich, unabhängig von der Art der Gruppenhaltung, insgesamt höhere Lahmheitsraten aufwies. Die Ergebnisse basieren hauptsächlich auf externen Faktoren, wie der Haltungsumgebung und den Managementpraktiken, was nochmal deutlich macht, wie komplex die Entscheidung für die Haltungsform und das Tierwohl ist.
3. Auslauf und Buchtendesign
Das Platzangebot bleibt ein kritisches und doch ungelöstes Problem. Bei einer Studie zu einem Platzangebot von 1,4 bis 3 m2 (15 bis 32 ft2), sind die Forschenden zu der Erkenntnis gelangt, dass das optimale Platzangebot vermutlich zwischen 1,8 und 2,4 m2 liegt (19 bis 26 ft2), auch hier sind allerdings weitere Untersuchungen nötig. Auch die Wechselwirkungen zwischen dem Fütterungssystem und dem verfügbarem Platzangebot müssen noch weiter untersucht werden, um einen Überblick über die bestmöglichen Managementempfehlungen für unterschiedliche Haltungsumgebungen zu erhalten.
Das Aggressionsverhalten und die soziale Dynamik von Sauen ist stark abhängig vom Buchtendesign, dem Alter der Sauen und ihrem Sättigungsgefühl. Untersuchungen von Barnett et al. (1993) zeigen, dass sich Aggressionen in rechteckigen Buchten reduzieren lassen, weil die Sauen an der längeren Seite mehr Platz haben, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Auch ein Unterbringen von Sauen in altersähnlichen Gruppen, vor allem die Separierung von Jungsauen, hat nachweisliche Vorteile. Sauen in gemischten Altersgruppen etablieren eine feste soziale Hierarchie, in der sich Jungsauen oft im Nachteil befinden, was zu häufigeren Hautverletzungen und Kämpfen führt. Eine weitere Studie von Li et al. (2017) hat gezeigt, dass Sauen in altersähnlichen Gruppen weniger Verletzungen erleiden und bessere Ergebnisse erzielen, wie zum Beispiel höhere Abferkelraten und bessere Rückenfettwerte bei Jungsauen.
- Eine Studie von Hemsworth et al. (2013) über die Auswirkung eines größeren Platzangebots zeigte eine höhere Abferkelrate, weniger Futteraggression und niedrigere Cortisolspiegel.
- Eine Studie von Mack et al. (2014) über ein größeres Platzangebot zeigte keine Auswirkungen, weder positive noch negative, auf die Produktivität oder die Zeit außerhalb des Kastenstands in einem frei zugänglichen Aufstallungssystem.
- Eine Studie von Pluym et al. (2017) über die Auswirkungen eines größeren Platzangebots zeigte eine Verminderung von Lahmheiten.
- Eine Studie von Li et al. (2017) zeigte eine Zunahme von Lahmheiten bei einem größeren Platzangebot.
- Eine Studie von Salak-Johnson et al (2007) über ein größeres Platzangebot zeigte eine Zunahme von Lahmheiten.
Einblick: Die Auswirkungen des Buchtendesigns auf das Wohlbefinden der Sauen machen deutlich, dass es nicht nur auf das Platzangebot an sich ankommt, sondern auch das Gruppenmanagement dazu beiträgt, die Harmonie zu fördern und Aggressionen unter den Sauen zu verhindern. Hierzu sind weitere Studien nötig.
4. Fütterungssysteme
Sättigung spielt eine entscheidende Rolle bei der Reduzierung von Aggressionen. Sauen, die auf 50% ihrer gewünschten Futteraufnahme limitiert werden, erleben lange Hungerzeiten, was wiederum zu mehr Aggression und Stress führt. Eine ballaststoffreiche Ernährung, einschließlich löslicher und unlöslicher Ballaststoffe scheint einen positiven Effekt auf die Darmgesundheit, das Sättigungsgefühl und das allgemeine Wohlbefinden zu haben.
Die Entscheidung der Europäischen Union, bestimmte Anteile an Ballaststoffen im Tierfutter vorzuschreiben, ist ein Schritt in die richtige Richtung und zeigt, wie wichtig es ist, die Auswirkungen verschiedener Ballaststoffquellen zu verstehen. Einige europäische Betriebe lösen das Problem, in dem sie Ballaststoffe ad libitum außerhalb der Futterstationen zur Verfügung stellen und so mehr Fresszeit ermöglichen. Diese Lösung erfordert allerdings ein paar Anpassungen im Stall, zum Beispiel größere Futterbehälter und längere Fresszeiten und kann zu einem höheren Mistvolumen und potenziell auch mehr Treibhausgasemissionen führen.
Nachhaltigkeit und Biosicherheit der Futtermittel zu gewährleisten ist in Westkanada und Nordamerika genau wie in vielen anderen Regionen von entscheidender Bedeutung. Der Schlüssel dafür ist die Beschaffung und Verarbeitung biologisch unbedenklicher Futtermittel, die mit den auf dem Betrieb zur Verfügung stehenden Systemen verteilt werden können. Während es immer noch Herausforderungen im Bereich höherer Futtermengen und der ökologischen Auswirkungen gibt, können die Auswahl des optimalen Fütterungssystems und das richtige Nährstoffmanagement helfen, die Gesundheit und Produktivität der Tiere zu optimieren.
Hunger-bedingte Aggression unterstreicht die Notwendigkeit für den Einbau eines optimalen Fütterungssystems für Sauen, wie z.B. eine automatisierte Präzisionsfütterung. Eine ballaststoffreiche Ernährung kann zu einem höheren Sättigungsgrad führen, Stress reduzieren und das Verhalten der Sauen günstig beeinflussen.
Weitere Lösungen für ein verbessertes Tierwohl
Weitere Lösungen für ein besseres Tierwohl sind zum Beispiel individuelle Futterpläne für eine optimale Entwicklung der Jungsauen, eine frühe Sozialisierung von Ferkeln und eine auf Fuß- und Beingesundheit ausgerichtete genetische Selektion. Entscheidend für mehr Sauberkeit und bessere Luftqualität im Stall sind Maßnahmen wie das Abschieben von Mist, Trockenpulver in Hochrisikobereichen und ein arbeitsfreundliches Stalldesign.
Innovative Technologien wie automatisierte Fütterungssysteme und KI-gestützte Lahmheitserkennung zeigen vielversprechende Ergebnisse für eine frühzeitige Erkennung von Krankheiten und eine Unterstützung bei der sicheren Rauscheerkennung.
Lahmheiten bei Sauen beurteilen und verstehen
Probleme wie Lahmheiten bleiben eine besondere Herausforderung in der Sauenhaltung, führen sie doch oft zu Entnahmen oder Keulung. Im Gegensatz zu Aggression ist Lahmheit einfacher zu beobachten und zu beurteilen. Forschung in diesem Bereich verweist häufig auf Fortschritte, die in der Milchviehhaltung gemacht wurden, während schweinespezifische Lösungen noch in der Entwicklung sind.
Lahmheit hat erhebliche Auswirkungen auf die Belastbarkeit und Beweglichkeit einer Sau, vor allem im Hinblick auf die Anatomie der Tiere und die modernen Zuchtmethoden. Die Vorderbeine einer Sau sind von Natur aus robust und tragen, ähnlich wie zum Beispiel beim Pferd, den Großteil des Tiergewichts. Mit zunehmender Wurfgröße und Belastung werden aber auch die Hinterbeine anfälliger für Probleme. Oft kommt es zu Problemen, wenn die Sauen tragend sind und Schwierigkeiten beim Aufstehen oder bei Lageänderungen auftreten.
Methoden zur Beurteilung von Lahmheiten
1. Visuelle Bewertung:
- Häufig genutzte Methode im Betrieb aufgrund der einfachen Anwendbarkeit.
- Basiert auf einem subjektiven Bewertungssystem, das in 3-9 Kategorien aufgeteilt werden kann, wie z.B. die Zinpro-Skala (0-3). Die Werte spiegeln flüssige Bewegungen (0) bis zu Widerwillen oder Unfähigkeit, Gewicht zu tragen (3).
- Während die Methode gut für eine direkte Bewertung im Stall geeignet ist, muss man einkalkulieren, dass sie aufgrund der unterschiedlichen Beobachtungsgabe von verschiedenen Personen anfällig für Ungenauigkeiten ist.
2. Wissenschaftliche und automatisierte Hilfsmittel:
- Forschende streben nach quantitativen Methoden, um einen höheren Grad an Präzision zu erreichen. Neue Methoden umfassen Kinematik, Druckmatten und Beschleunigungsmesser zur Analyse von Gang und Haltung der Sauen.
- Mit Technologien wie Kraftmessplatten, Liege-Monitoring und Gewichtverteilungsanalysen werden tiefere Einblicke ermöglicht. Derartige Systeme, genau wie in elektronische Futterstationen integrierte Technik, sind allerdings häufig kostspielig.
Wirksame Lösungen für eine Reduzierung von Lahmheiten bei Sauen in Gruppenhaltung
Eingestreute Buchten
Eingestreute Buchten haben sich als effektive Maßnahme erwiesen, um Lahmheiten zu verringern, die Beingesundheit zu verbessern, Aggressionen zu reduzieren und den Sättigungsgrad der Sauen zu erhöhen. Diese positiven Entwicklungen unterstreichen die Bedeutung einer zukünftigen Anwendung und zeigen zugleich den zunehmenden Stellenwert von Tierwohl und Tiergesundheit in der modernen Schweinehaltung.
Bodenbeschaffenheit
Es ist unstrittig, dass der Bodenbelag eine entscheidende Rolle für die Beingesundheit spielt, aber es ist weitere Forschung nötig, um den Einfluss von Faktoren wie die Spalten- und Schlitzbreite oder Abriebfestigkeit und Rutschfestigkeit der Oberflächen zu untersuchen. Neuere Studien aus Kanada von Devillers et al. (2020), haben untersucht, wie sich die Spalten- bzw. Schlitzbreite auf Bewegung und Komfort der Sauen auswirken. Die Ergebnisse zeigen, dass kleinere Schlitzbreiten und breitere Spalten effektiver Klauenverletzungen verringern und zu einem normalen Liegeverhalten beitragen, ohne die Fortpflanzungsleistung oder das Mistmanagement zu beeinträchtigen. Die EU-Vorgabe von 20 mm scheint vorteilhafter zu sein als größere Schlitzweiten
Bekämpfung von Lahmheit bei Schweinen
Lahmheit ist und bleibt ein wichtiger Aspekt für das Tierwohl, weil hier ein ernsthafter Einfluss auf die körperliche Belastungsfähigkeit und Mobilität der Sauen besteht und Lahmheit oft zu Entnahmen führt. Maßnahmen wie eingestreute Buchten und optimierte Bodenbeläge haben sich als vielversprechend bei der Verringerung von Lahmheiten erwiesen, während innovative Technologien wie Kinematik und Kraftmessplatten wertvolle Einblicke in die Ursachen und das Problemmanagement ermöglichen.
Forschende wie Devillers haben gezeigt, wie sich Anpassungen des Bodenbelags, z.B. durch schmalere Schlitze und breitere Stege positiv auf eine Reduzierung von Verletzungen bei Sauen in Gruppenhaltung auswirken können. Diese Fortschritte stehen im Einklang mit den Bemühungen Lahmheiten bei Schweinen möglichst kosteneffizient und auf das Tierwohl ausgerichtet zu reduzieren.
Innovative Managementmethoden für eine nachhaltige Sauenhaltung
Einsatz von Technologie:
Der Einsatz von KI-gestützten Lahmheitsdetektoren und automatisierten Futterstationen unterstützt die Gesundheitsüberwachung und Stressreduktion und gehört zu den Best-Practice Maßnahmen für die Gruppenhaltung von Sauen.
Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit:
Die Versorgung mit biosicherem, qualitativ hochwertigem Futter und der Einsatz von Echtzeitdatensystemen zeigt den wachsenden Trend zu einer nachhaltigeren Schweinezucht.
Landwirte, die ihre Sauen auf Gruppenhaltung umstellen, müssen sich auch den ökologischen Herausforderungen stellen, wie zum Beispiel dem höheren Mistvolumen, was durch eine ballaststoffreiche Ernährung anfällt. Eine Integration von umweltfreundlichen Systemen ist von entscheidender Bedeutung, um diesen Problemen wirksam begegnen zu können.
Der Weg zu einer erfolgreichen Gruppenhaltung
Obwohl die Einführung der Gruppenhaltung aufgrund zahlreicher zu berücksichtigender Faktoren gewisse Herausforderungen birgt, können die Vorteile für Tierwohl und Produktivität bei guter Umsetzung die möglichen Nachteile deutlich überwiegen. Fortschrittliche Technologien, wie automatisierte Präzisionsfütterungssysteme, spielen eine entscheidende Rolle in der Bewältigung der häufig mit Gruppenhaltung assoziierten Fütterungsprobleme – sie sorgen für eine optimale Futterverteilung und minimieren die Futterkonkurrenz.
Für eine nachhaltige, auf das Tierwohl ausgelegte Sauenhaltung ist die Nutzung dieser technologischen Fortschritte in Verbindung mit Echtzeitdaten, innovativem Stalldesign und akribische Aufzeichnungen für das Benchmarking von großer Bedeutung. Wie David Cadogan in seinem Vortrag auf dem GESTAL Swine Summit 2022 betonte, ist es entscheidend, aus weltweiten Erfahrungen zu lernen – etwa aus den Herausforderungen, die Australien bei seiner schnellen Umstellung machte –, um häufige Fallstricke zu vermeiden und stattdessen auf bewährte Verfahren zu setzen, die langfristigen Erfolg sichern.
Bei der Umstellung auf Gruppenhaltung geht es nicht nur um die Einhaltung von vorgeschriebenen Gesetzen – es ist auch eine Chance, höhere Standards für Tierwohl, betriebliche Effizienz und ethische Produktionsmethoden einzuführen. Mit der Umstellung machen Landwirte einen großen Schritt in Richtung einer innovativen und nachhaltigeren Zukunft. Jetzt ist es an der Zeit, sich für die Gruppenhaltung zu engagieren und eine durchdachte und vor allem informierte Entscheidung für den zukünftigen Erfolg des eigenen Betriebs zu treffen.
Quellen
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