Angepasstes Haltungsmanagement mit automatisierter Fütterung eröffnet neue Möglichkeiten für eine Verringerung der Totgeburtenrate

Von Dalton Obermier, M.S.

Eine 5.000-köpfige kommerzielle Sauenfarm-Forschung 

Einleitung

Einer der Hauptgründe, weshalb Erzeuger auf modernen Sauenbetrieben die volle Produktionsleistung ihres Betriebs nicht ausschöpfen können, ist die Ferkelsterblichkeit. Gemäß einer Auswertung des nationalen US-Datenbestands von Dr. Stalder im Jahr 2018, lag die durchschnittliche Sterblichkeitsrate vor dem Absetzen bei ca. 26%, wovon fast 10% auf Totgeburten fielen (Stalder, 2018). Dies mag eine rhetorische Frage sein, aber kann es sein, dass wir die Größe des negativen Schattens, den das auf unsere Industrie wirft, unterschätzen? Allein der Gedanke, dass mehr als ein Viertel aller vollausgereiften Föten es nicht in die nächste Produktionsstufe schaffen und ein Zehntel nicht mal lebend geboren werden, erscheint mir völlig absurd! Was können wir also tun?

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In der landwirtschaftlichen Tierhaltung lassen sich Veränderungen entweder durch genetische Selektion, d.h. eine Bearbeitung des Genoms, oder durch Änderungen der Tierumgebung (Management, Ernährung, etc.) erzielen. Änderungen des Tiermanagements sind oft einfacher durchzuführen und zeigen schnellere Ergebnisse als genetische Verbesserungen. Diese Studie beleuchtet eine Anpassung der Fütterungszeiten von Sauen, vom Zeitpunkt des Übergangs in den Abferkelbereich, bis zum Abferkeln (Phase der Geburtsvorbereitung). Der gedankliche Ansatz hierzu stammt aus den späten 1970er Jahren, wo auf einer kanadischen Ranch im Besitz von Gus Konefal ähnlich verfahren wurde (Konefal, 1980). Konefal begann irgendwann damit, seine Kühe erst spät am Abend zu füttern, weil er hoffte, dass der Verdauungsprozess sie in den kalten Nächten warmhalten würde. Kurz danach beobachtete er eine signifikante Zunahme an Kühen, die während des Tages kalbten (von ca. 50% auf ca. 80%). Bis heute ist man in der Rinderzucht dazu übergegangen schwer tragende Färsen abends zu füttern, damit sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie tagsüber kalben, wenn mehr Stallpersonal anwesend ist. Gestal/JYGA Technologies und eine Gruppe von Unterstützern (u.a. ich selbst) haben eine Studie aufgesetzt, um zu sehen, ob sich diese Erkenntnisse auf die Schweineindustrie übertragen lassen. Unsere Hypothese war, dass sich durch eine Fütterung von Sauen in den frühen Morgenstunden der Beginn/Ende des Abferkelprozesses an einen Zeitpunkt verschieben lassen würde, an dem mehr Personal zur Verfügung steht, was letztendlich die Totgeburtenrate verringern würde.

Materialien und Verfahren

Die vorliegende Studie wurde auf einer 5000er Sauenfarm der Standard Nutrition Company im nordöstlichen Nebraska, USA durchgeführt. Ungefähr an Tag 113 der Trächtigkeit wurden alle Sauen in den Abferkelbereich gebracht. Der Abferkelbereich besteht aus 18 Abteilen mit jeweils 56 Abferkelständen pro Abteil. Beim Belegen der Abferkelstände wurden die Sauen randomisiert in zwei Gruppen aufgeteilt. Beide Gruppen wurden nach einem unterschiedlichen Zeitschema gefüttert: Control (CTRL) – 100% der Tagesration zwischen 7 – 10 Uhr, und Alternative (ALT) – 100% der Tagesration zwischen 2 – 5 Uhr. Die maximale Futtermenge in beiden Gruppen während der Vorbereitungsphase vor dem Abferkeln lag bei 5lb (ca. 2,3 Kg). Die Futtermenge und Fütterungszeiten wurden automatisch über die Gestal Solo Futterautomaten für laktierende Sauen (JYGA Technologies, Inc.) vorgegeben. Ich selbst habe zusammen mit zwei Mitarbeiterinnen (Jenna Kibler und Megan Eickhoff) eine 24-Stunden Abferkelüberwachung durchgeführt, um Abferkelleistung und -zeiten genau nachverfolgen zu können. Es wurde für jede Sau aufgezeichnet, wann das erste Ferkel zu sehen war, wie sich die Anzahl an Ferkeln bis zum nächsten Check verändert hatte (ca. 30 min), und wann das letzte Ferkel zu sehen war.

Ergebnisse

Nach Aufbereitung der Daten, konnten wir die Daten von 1.016 kommerziellen F1 Sauen aus drei genetischen Linien analysieren. Die Sauen waren gleichmäßig auf beide Gruppen verteilt und wiesen nur geringe Unterschiede bei den im statistischen Modell verwendeten Merkmalen auf (Tabelle 1), so dass wir aussagekräftige Ergebnisse erfassen konnten.

Tabelle 1: Zusammenfassung der Statistik1

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Unter Berücksichtigung verschiedener Effekte, konnten wir den Mittelwert der kleinsten Quadrate für die für uns interessanten Hauptmerkmale ermitteln (Tabelle 2). Wir fanden heraus, dass ALT Sauen früher abferkelten als CTRL Sauen (12:04 vs. 12:56 Uhr). Sauen in der ALT Gruppe zeigten ebenfalls eine kürzere Abferkeldauer gegenüber Sauen in der CTRL Gruppe (6:09 vs. 6:33 Std.). Sauen in der ALT Gruppe hatten vor allem auch eine geringere Rate an Totgeburten als Sauen in der CTRL Gruppe (8.40 vs. 9.74%). Falls Ihnen die Zahl 1,34 % als Reduktion bei der Totgeburtenrate nicht allzu hoch erscheint, fragen Sie ruhig einen Sauenhalter, was eine derartige Veränderung umgerechnet auf seine Produktionszahlen und Tierschutzbilanz für ihn bedeuten würde. Zusätzlich zu den aufgeführten Ergebnissen, kann der Abschluss des Geburtsvorgangs anhand der Addition der Geburtsdauer zum Startzeitpunkt des Geburtsvorgangs geschätzt werden. Im Schnitt beendeten ALT Sauen den Geburtsvorgang 1 Stunde und 16 Minuten früher als CTRL Sauen. Das ist von entscheidender Bedeutung, da der Großteil an Hilfe vor allem im letzten Teil des Geburtsvorgangs benötigt wird. Aus diesen Daten können wir schließen, dass eine frühere Fütterung der Sauen (2 Uhr vs. 7 Uhr) zu einem früheren Start des Abferkelprozesses und weniger Totgeburten führt.

Tabelle 2: Mittelwert Kleinste-Quadrate Methode1

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Diskussion

Warum ist die Ferkelmortalität in den USA immer noch oberhalb der Akzeptanzschwelle, obwohl hier immer mehr Tierschutzmaßnahmen eingeführt werden? Ein Hauptfaktor hierfür ist der genetische Druck der letzten Jahre, durch den die Produktivität der Sauen über eine Erhöhung der Gesamtzahl an geborenen Ferkeln pro Wurf gesteigert werden soll. Untenstehende Graphik (Bild 1) zeigt, dass dies hinsichtlich der Wurfgröße bei den Geburten erfolgreich war (blaue Linie), aber weil es keine lineare Steigerung der Wurfgröße beim Absetzen gibt (rote Linie), kann man davon ausgehen, dass die Überlebensrate der Ferkel (grüne Linie) DER limitierende Faktor in der Maximierung des reproduktiven Durchsatzes ist. In der vorliegenden Studie haben wir den Fokus auf die Totgeburtenrate gelegt, die ein Teil der Mortalitätsrate vor dem Absetzen ausmacht, und in einem engen Zusammenhang mit der Gesamtzahl der geborenen Ferkel steht. Eine Studie von Ketchem et al., (2019) in der 410.000 Abferkelvorgänge auf 50 Betrieben analysiert worden sind, wurde ein starker phänotypischer Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Anzahl an Totgeburten pro Wurf und der Gesamtzahl geborener herausgearbeitet (R2= 0,795). Laut den Autoren war das auch erwartbar und „macht Sinn, da die Sau bei einer höheren Ferkelzahl auch meist länger Wehen hat und es somit auch wahrscheinlicher ist, dass sie müde wird, was die Zeitabstände zwischen den Geburten der einzelnen Ferkel vergrößert und die Anzahl an Totgeburten erhöht“ (Ketchem, 2019). Die Probleme, die mit einer zunehmenden Wurfgröße verbunden sind, werden nicht so schnell verschwinden. Sie werden sich eher noch verschlimmern, wenn wir dabei bleiben, alle Möglichkeiten auszureizen die Produktionsleistung noch weiter zu erhöhen.

Bild 1: Nationale Datenbank der US-Schweineindustriefigure1

*2017 Totgeburtenrate 9,85(±4,1)
Adaptiert von Knauer und Hosteler, 20132; Stalder, 2018

Derzeit ferkelt ein Großteil der Sauen unbeaufsichtigt in der Nacht ab. Unbeaufsichtigtes Abferkeln heißt, dass keine Hilfe in der Nähe ist, wenn die Sau sie benötigt – dies ist ein wesentlicher Grund für totgeborene Ferkel (Ketchem, 2019). Außerdem führt dies zu zusätzlichem Stress bei der Sau, einer höheren Wahrscheinlichkeit für zurückbehaltene Ferkel, einer höheren Wahrscheinlichkeit für Erdrückungsverluste direkt nach der Geburt und einer längeren Erholungszeit der Sauen nach dem Abferkeln. Anhand dieser Erkenntnisse hat man jetzt zwei Möglichkeiten, die Risiken von unbeaufsichtigten Geburten abzumildern: 1) Einsatz von Mitarbeitern für eine Rund-um-die Uhr Abferkelüberwachung oder 2) Mehr Sauen dazu bringen, tagsüber abzuferkeln. Aufgrund der anhaltend angespannten Mitarbeitersituation im Bereich der Nutztierhaltung, ist die einzig vernünftige Lösung in diesem Zusammenhang, die Sauen entsprechend zu manipulieren; und genau das haben wir erfolgreich geschafft!

Obwohl wir unsere Hypothese erfolgreich beweisen konnten, müssen wir noch weitere Anstrengungen unternehmen und weiter forschen, um vollständig zu verstehen, welchen Einfluss die Fütterungszeit während der Phase vor dem Abferkeln auf die Geburtszeit und die Reproduktionsleistung hat. Die in der vorliegenden Studie untersuchte Fütterungszeit der ALT Sauen (2 Uhr morgens) ist nicht errechnet worden, sondern entstammt einer wohlbegründeten Annahme, die anhand von Erkenntnissen aus einer kleinen Pilotstudie der South Dakota University gemacht wurde. Vielleicht kann man mit einer Fütterung am späten Abend bis Mitternacht, den Abferkelzeitpunkt noch weiter in den Tag verschieben. Der limitierende Faktor bei einer alternativen Fütterung während der Laktation ist jedoch immer die Notwendigkeit für eine elektronische Fütterung. Mit den Gestal Futterautomaten für laktierende Sauen (JYGA Technologies, Inc.) können Sauen zu jeder Tages- und Nachtzeit gefüttert werden, egal, ob Stallpersonal anwesend ist oder nicht. Auch die optimale Anzahl an Tagen für diese Art der vorgezogenen Fütterung ist noch nicht sicher. In der vorliegenden Studie wurden die Sauen ungefähr 3,5 Tage vor dem Abferkeln entsprechend angepasst gefüttert; möglicherweise könnte man mit einer Erhöhung der Anzahl an Tagen noch bessere Ergebnisse erzielen. Dafür müsste man die Fütterungszeit bereits während der Trächtigkeit anpassen, was ohne eine automatisierte Fütterung nahezu unmöglich ist. Aber auch das, lässt sich mit den Gestal 3G Stationen (JYGA Technologies, Inc.) einfach durchführen. 

Mit dem Ausbau unserer Produktionsverfahren in der Schweineindustrie und einem erhöhten Bewusstsein für tierschutzrechtliche Aspekte ist eine verstärkte Integration und Nutzung neuer Technologien unerlässlich. Mit dieser Studie habe ich einen Weg aufgezeigt, wie es mit Hilfe derartiger Technologien möglich ist, mehr vollausgereifte Ferkel zu retten. Dieses spezielle Problem ist aus der einseitigen genetischen Selektion heraus entstanden, die zum Ziel hatte die Produktionsleistung zu erhöhen, ohne, dass hier die tierschutzrechtlichen Folgen bedacht wurden. Anstatt die gewonnenen Selektionsvorteile zurückzunehmen, haben wir das Haltungsmanagement angepasst und konnte so die negativen Folgen abmildern, ohne das ursprüngliche Ziel, mehr Ferkel bei gleichbleibender Sauenzahl zu produzieren, aufzugeben. Für Schweineproduzenten wird der Einsatz von automatisierten Technologien zweifelsohne ein wichtiger Faktor beim nachhaltigen Ausbau der Produktion sein.

image dalton obermier

Wer ist Dalton Obermier, M.S.?

Geboren und aufgewachsen bin ich auf einer diversifizierten Farm mitten in Nebraska, wo wir während meiner gesamten 4H und FFA Landjugend-Zeit Rinder und Schweine gezüchtet und verkauft haben. Meine Wurzeln waren schon immer in der landwirtschaftlichen Tierhaltung, so dass mir die Entscheidung für die Tierwissenschaften sehr leichtgefallen ist. An der University of Nebraska habe ich 2018 meinen Bachelor in Tierwissenschaften gemacht. Direkt im Anschluss bin ich an das andere Ende der Vereinigten Staaten gezogen, um an der North Carolina State University Schweinegenetik zu studieren, wo ich dann 2020 meinen Master of Science gemacht habe. Zurzeit bin ich als Doktorand für meinen PhD an der University of Nebraska tätig, wo ich mich unter Dr. Benny Mote mit Quantitativer Genetik beschäftige. Schweine sind und bleiben mein Schwerpunktthema und ich hoffe mit meiner Arbeit eines Tages einen positiven Einfluss auf diese Industrie, der ich so viel zu verdanken habe, ausüben zu können.

Literatur

Ketchum, R., Rix, M., and Duttlinger, V. 70% of stillborns come from 20% of sows; Who is at risk? National Hog Farmer Daily Update. June 5, 2019.

Knauer, M.T. (2013). US swine industry productivity analysis, 2005 to 20010. Journal Swine Health Productivity, 12(5):248-252.

Konefal, G. 1980. Daytime Calving – the Konefal Method. Ninth Annual Cornbelt Cow-Calf Conference, Ottumwa, IA.

Stalder, K. (2018). 2018 Pork Industry Productivity Analysis. Pork Checkoff, September 11, 2018.