Fütterung mit Weitblick: Warum Präzisionsfütterung von Jungsauen der Schlüssel für eine erfolgreiche Sauenhaltung ist

Dalton Obermier, PhD

Von Dalton Obermier, PhD, Spezialist Forschung Schweinehaltung bei Jyga Technologies

In modernen Sauenbetrieben werden die Weichen für den Erfolg bereits lange vor dem ersten Wurf einer Sau gestellt – eigentlich sogar schon, bevor eine Jungsau in die Zuchtherde aufgenommen wird. Die richtige Fütterungsstrategie während der Aufzucht einer Jungsau ist der Schlüssel für ihre lebenslange Produktivität, Nutzungsdauer und Reproduktionsleistung. Jungsauen präzise und bedarfsgerecht zu füttern ist mittlerweile mehr als nur eine bloße Empfehlung: für einen nachhaltig wirtschaftenden, hochproduktiven Sauenbetrieb ist es eine absolute Notwendigkeit.

In diesem Beitrag werden die Möglichkeiten und praktischen Aspekte der Umsetzung einer gezielten Jungsauenfütterung behandelt. Dabei wird auch aufgezeigt, welche langfristigen wirtschaftlichen, reproduktions- und tierschutzrelevanten Vorteile eine frühzeitige Investition in die Fütterung mit sich bringt. Außerdem wird untersucht, wie technologische Entwicklungen den Züchtern dabei helfen können, hier effizienter und wirkungsvoller vorzugehen.

Mit der richtigen Fütterungsstrategie der Jungsauen heute, schaffen wir die Basis für eine gesündere, produktivere und profitablere Herde morgen.

Traditionelles Aufzuchtmanagement von Jungsauen: Einheitliche Fütterung, Unterschiedliche Ergebnisse

Die Jungsauenaufzucht ist eine der einflussreichsten Phasen im Leben einer Sau und die richtige Fütterung in dieser Zeit ist entscheidend für ihre langfristige Produktivität.

Fütterungsziele in der Jungsauenaufzucht

Bevor sie Teil einer Zuchtherde werden, werden Jungsauen häufig in eigenen Ställen aufgezogen und in altersgleichen Gruppen gefüttert. Ab welchem Alter Jungsauen in einen Jungsauenstall kommen, hängt vom jeweiligen Produktionssystem ab. Einige Betriebe kaufen Jungsauen von außen zu, andere setzen auf die eigene Nachzucht, und wiederum andere beziehen ihre Jungsauen aus einem speziellen internen Nachzuchtbetrieb. Unabhängig vom vor Ort verwendeten System, findet während dieses Zeitraums häufig nur eine sehr eingeschränkte individuelle Kontrolle und Datenerhebung statt

Schwächen klassischer Fütterungspraktiken

Aus diesem Grund werden Fütterungsprogramme häufig gruppenbezogen standardisiert und orientieren sich eher an durchschnittlichen Nährstoffbedarfen als an individuellen Futterplänen. Aufgrund von technologischen und logistischen Einschränkungen, erhalten Jungsauen häufig eine ad libitum Versorgung während ihrer Zeit im Jungsauenstall. Anpassungen werden oft auf der Basis von Mittelwerten sowie Gewichts- und Sichtkontrollen durchgeführt.

Das Hauptziel der Jungsauenaufzucht ist die Vorbereitung der Jungsauen auf ihren Eintritt in die Zuchtherde. Dazu gehört auch das Erreichen des Zielgewichts von ca. 135 kg (300 Pfund), je nach Zuchtgenetik, und das Erreichen der Zuchtreife, was idealerweise über die Beobachtung mindestens eines Rauschezyklus vor der Insemination verifiziert wird. Leider bleiben Abweichungen von Körperzustand, Wachstum, Gesundheitszustand oder reproduktiver Leistungsfähigkeit ohne eine gezielte Datenerfassung häufig unbemerkt. Das kann auch zu Unregelmäßigkeiten innerhalb der Sauenherde führen und damit das Risiko für frühe Entnahmen oder Reproduktionsausfälle vergrößern.

Die Flexibilität einer individuellen Fütterung von Jungsauen hat klare Vorteile für die Züchter, besonders für diejenigen, die gerade erst dabei sind, einen neuen Betrieb aufzubauen oder ihre Herden aufgrund von Krankheitsausbrüchen stilllegen mussten. Hier ist es besonders wichtig, das Wachstum der Jungsauen so zu steuern, dass die Zuchtreife der Jungsauen mit den Bedürfnissen der Herde und den Zuchtzeiten in Einklang gebracht werden kann. Ein Fütterungssystem, das eine individuelle Fütterung der Sauen ermöglicht, hilft dem Züchter, auch bei unvorhergesehenen Störungen eine einheitliche Entwicklung sicherzustellen und seine Produktionsziele einzuhalten.

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Was zeigen die Daten

Wie Faccin et al. (2022) beschreibt, ist das Erreichen eines definierten Zielgewichts zu einem bestimmten Zeitpunkt leichter gesagt als getan, vor allem im Hinblick auf die modernen Zuchtlinien, die sich durch eine beschleunigte Futteraufnahme und Wachstumsraten auszeichnen. Klassische ad libitum Fütterung während der Entwicklungsphase kann zur Entstehung von Fehlstellungen im Körperbau beitragen (Farmer, 2018). Laut de Koning et al. (2013), steigt bei ad libitum gefütterten Tieren ab einem Alter von 10 Wochen das  Osteochondrose-Risiko um 20% pro 100 g der durchschnittlichen Zunahme pro Tag.

Gefahren einer übermäßigen Futterbeschränkung

Eine Maßnahme um die Wachstumsrate von Jungsauen zu begrenzen, besteht darin, das Verhältnis von Lysin und Energie im Futter zu verringern. Forschungen haben gezeigt, dass dieser Ansatz zu einer Verbesserung der Skelettstruktur beitragen kann (Quinn et al., 2015) und den Anteil an Jungsauen erhöhen kann, die bei der ersten Rausche ihr optimales Körpergewicht haben. Es ist allerdings auch eine Verzögerung bei der Entwicklung der Zuchtreife beobachtet worden (Lents et al., 2020). Eine andere Möglichkeit ist die Zugabe von Faserstoffen zu ad libitum Futtermischungen, wobei die benötigte Faserstoffmenge für eine effektive Wirkung sehr hoch sein muss und eine ausgleichende Futteraufnahme durch die Tiere wahrscheinlich ist (Helm et al., 2021). Mit einer Reduzierung der Futteraufnahme um 20% bis 25% ließ sich das Wachstum ebenfalls verzögern, ältere Studien berichten aber in diesem Zusammenhang von einer negativen Wirkung auf die Entwicklung der Milchdrüsen während der Geschlechtsreife (Farmer et al., 2004).

Eine neuere Studie von Gregory (2021) zeigt, dass eine Reduzierung des Futters um 20% ab Tag 90 bis zur Besamung keinen Einfluss auf die Milchleistung hat, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass die modernen Genlinien schlanker und futtereffizienter sind und ein höheres Futteraufnahmevermögen besitzen. Zusammenfassend deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass es zu Beeinträchtigungen der Milchdrüsenentwicklung und einem verzögerten Eintritt in die Zuchtreife kommen kann, wenn der Nährstoffbedarf nicht gedeckt ist, dass aber auch eine ad libitum Fütterung nicht immer passend ist und das Risiko erhöhen kann, dass Jungsauen bei der ersten Besamung zu schwer sind, was zu einem höherem Gewicht  der reifen Sauen führt (und höheren Futterkosten über die Lebensdauer verursacht) und zu späteren Lahmheiten beitragen kann.

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    Wie kann Technologie helfen?

    Automatisierte Fütterung und RFID-Erkennung

    „Für den Aufbau einer Herde mit hoher Qualität und Produktivität ist der Einsatz von Entwicklungsprogrammen, mit deren Hilfe sich die Jungsauen mit dem größten Reproduktionspotential in der für das Produktionssystem benötigten Anzahl auswählen lassen, genauso wichtig, wie das richtige Management und die Ernährung“, so Jamil Faccin, Kansas State University.

    Dank moderner Präzisionstechnologien in der Tierhaltung haben Sauenhalter heute neue Möglichkeiten, die Fütterung von Jungsauen in der Entwicklungsphase gezielt zu optimieren. Hilfsmittel wie automatisierte Fütterungssysteme mit RFID-Erkennung ermöglichen Echtzeitdatenerfassung, womit sich eine individualisierte Fütterung auch in einer Gruppenhaltung umsetzen lässt, was früher nicht möglich war. Mit derartigen Systemen lassen sich Futteraufnahme und Wachstumsraten für jede Sau einzeln nachvollziehen, ihr Wohlbefinden überwachen und präzise individuelle Anpassungen an Futterzusammensetzung und Futterplänen durchführen. Darüber hinaus können mit einem automatisierten Fütterungssystem mit Verschneidungsfunktion Nährstoffe kontinuierlich und stufenlos – statt in einzelnen Phasen – ausgefüttert werden. Die „Durchschnittsfütterung“ gehört somit der Vergangenheit an. Dank dem erhöhten Maß an Kontrolle innerhalb der Jungsauenaufzucht bekommt jedes Tier genau die richtigen Nährstoffe zum optimalen Zeitpunkt, was zu einer höheren Uniformität beim Eintritt in die Zuchtherde beiträgt und das Risiko einer Über- oder Unterversorgung minimiert.

    Vorteile der Präzisionsfütterung in der Jungsauenaufzucht

    Tierverhalten und bedarfsgerechte Fütterung

    Egal ob als kommerzieller Produzent, Zuchtunternehmen oder Wissenschaftler: in Kombination mit automatischen Fütterungssystemen bieten Softwarelösungen leistungsstarke Analysen zu Tierverhalten, Futtereffizienz und Fressverhalten. Mit Hilfe dieses datenbasierten Ansatzes können Sauenhalter und beratende Fütterungsexperten bestehende Fütterungsprogramme anhand der tatsächlichen individuellen Jungsauenleistung optimieren, anstatt sich hier auf Wurf- oder Buchtendurchschnittswerte verlassen zu müssen. Dadurch können die Zuchtreife und die Homogenität beim Einstallen in die Herde, sowie die langfristige Produktivität deutlich verbessert werden.

    Agieren statt Reagieren 

    Durch die Nutzung von Technologien bei der Aufzucht ihrer Jungsauen, können Sauenhalter ihre Sauen proaktiv managen, statt nur auf bestehende Probleme zu reagieren, und so sicherstellen, dass die Sauen besser vorbereitet in die Zucht einsteigen und den Anforderungen moderner Produktionssysteme besser gerecht werden können. Präzisionsfütterung von Jungsauen ist weit mehr als nur ein moderner Komfort – es ist vor allem eine strategische Investition in den langfristigen Erfolg Ihrer Sauen. Mit dem Einsatz moderner Technologien und ihrer vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten lassen sich traditionelle Grenzen der Fütterungsstrategien in der Jungsauenaufzucht überwinden und ein stabiles Fundament für die Zukunft legen.

    Mehr Infos zu Fütterungsstrategien und -lösungen für Ihre Jungsauen.

    Quellen

    Faccin JEG, Tokach MD, Goodband RD, DeRouchey JM, Woodworth JC, Gebhardt JT. Gilt development to improve offspring performance and survivability. J. Anim. Sci. 2022 Jun 1;100(6):128. doi: 10.1093/jas/skac128.

    Farmer, C. 2018. Nutritional impact on mammary development in pigs: a review. J. Anim. Sci. 96:3748–3756. doi: 10.1093/jas/sky243

    Farmer, C., Petitclerc D., Sorensen M. T., Vignola M., and Dourmad J. Y. 2004. Impacts of dietary protein level and feed restriction during prepuberty on mammogenesis in gilts. J. Anim. Sci. 82:2343–2351. doi: 10.2527/2004.8282343x

    Gregory, N. 2021. The effect of moderate energy and protein restriction during gilt development on body composition and subsequent lactation performance [MSc thesis]. Guelph, ON (Canada): Animal Bioscience Department, University of Guelph; 83 pp.

    Helm, E. T., Patience J. F., Romoser M. R., Johnson C. D., Ross J. W., and Gabler N. K. 2021. Evaluation of increased fiber, decreased amino acids, or decreased electrolyte balance as dietary approaches to slow finishing pig growth rates. J. Anim. Sci. 99:skab164. doi: 10.1093/jas/skab164

    de Koning, D. B., van Grevenhof E. M., Laurenssen B. F. A., van Weeren P. R., Hazeleger W., and Kemp B. 2013. The influence of dietary restriction before and after 10 weeks of age on osteochondrosis in growing gilts. J. Anim. Sci. 91:5167–5176. doi: 10.2527/jas.2013-6591

    Lents, C. A., Supakorn C., DeDecker A. E., Phillips C. E., Boyd R. D., Vallet J. L., Rohrer G. A., Foxcroft G. R., Flowers W. L., Trottier N. L., et al. 2020. Dietary lysine-to-energy ratios for managing growth and pubertal development in replacement gilts. Appl. Anim. Sci. 36:701–714. doi: 10.15232/aas.2020-02016

    Quinn, A. J., Green L. E., Lawlor P. G., and Boyle L. A. 2015. The effect of feeding a diet formulated for developing gilts between 70kg and ~140kg on lameness indicators and carcass traits. Livest. Sci. 174:87–95. doi: 10.1016/j.livsci.2014.12.016

    Sorensen, M. T., Sejrsen K., and Purup S. 2002. Mammary gland development in gilts. Livest. Prod. Sci. 75:143–148. doi: 10.1016/S0301-6226(01)00310-4